Gemeinden lehnen ab: Naturpark Baselbiet droht zu scheitern
Liestal 07.12.2024 - 03:12
Die Gemeinden im Park-Perimeter sagen reihenweise ab. Die Projektverantwortlichen Florence Brenzikofer und Johannes Sutter geben aber nicht auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Naturpark Baselbiet hat bei den Gemeinden einen schweren Stand.
- Bis jetzt haben alle Ortschaften im Diegtertal einen Beitritt zum Park abgelehnt.
- Der Projektverantwortliche Johannes Sutter hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben.
100 Quadratkilometer braucht es. Kommt die Fläche nicht zustande, ist der Naturpark Baselbiet vom Tisch. Endgültig.
Das Projekt ist vor 14 Jahren – damals noch unter dem Namen Jurapark – letztmals gescheitert. Heute stehen die Vorzeichen erneut ausgesprochen schlecht: Nach der Hälfte der Gemeindeversammlungen im Park-Perimeter sind erst 40 Quadratkilometer beisammen. Und längst ist auch die Vorgabe nicht erfüllt, wonach die Fläche zusammenhängend sein muss.
Eine entscheidende Rolle kommt in diesem Punkt dem Diegtertal zu, das den östlichen und westlichen Teil des Parks verbinden soll. Bis jetzt haben alle Gemeinden im Tal einen Beitritt zum Park abgelehnt, zuletzt Tenniken am Dienstagabend. In Zunzgen entscheidet die Gemeindeversammlung am 10. Dezember.
Der Zunzger Gemeinderat ist dagegen, legt das Geschäft aber wegen eines Antrags aus der Bevölkerung dennoch vor. Gemeindepräsident Hansruedi Wüthrich geht nicht davon aus, dass der Naturpark in seinem Dorf gute Chancen hat, wie er auf Anfrage sagt. Ausserdem reicht Zunzgen nicht aus, um die Flächen zu verbinden.
Bürger erwägen Referenden
Dann wars das also? Johannes Sutter winkt ab. «So schnell streichen wir die Segel nicht», sagt er zu «OnlineReports». Sutter ist Gemeindepräsident von Arboldswil und Vizepräsident des Trägervereins unter der Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer.
Es sei zwar tatsächlich so, dass der Park mindestens eine Gemeinde aus dem Diegtertal benötige, räumt er ein.
Doch er hat noch einen Trumpf in der Hand: Offenbar erwägen Bürgerinnen und Bürger, gegen den ablehnenden Entscheid der Gemeindeversammlung das Referendum zu ergreifen. Sutter will aus taktischen Gründen keine konkreten Ortschaften nennen. Doch dem Vernehmen nach sind Referenden auch im Diegtertal angedacht.
Sutter hofft, dass die Beschlüsse korrigiert werden. Entscheide an der Urne seien breiter abgestützt und weniger von der Mobilisierung einzelner Gruppen abhängig.
Bauern mobilisieren
Tatsächlich haben kritische Bauern an den Gemeindeversammlungen auffällig stark mobilisiert. «Die Bauern haben alle ihre Verwandten mitgenommen und die halbe Gemeindeversammlung gestellt», sagte der Rickenbacher Gemeindepräsident in einem Artikel der «bz».
Die Gegnerschaft rufe «beinahe im amerikanischen Stile» dazu auf, den Naturpark abzulehnen, ist zu hören. Gar von einer «Mobilisierung im geriatrischen Sinne» ist die Rede: Wer noch gehen kann, soll sich ins Gemeindehaus bewegen.
Im Vorfeld der Versammlungen hat sich das Gegen-Komitee Pro Oberbaselbiet gebildet. Darin engagiert sich auch SVP-Landrat Matthias Ritter aus Diegten. Gewisse Mitglieder wollen anonym bleiben.
Beim Naturpark geht es darum, Natur und Landschaft aufzuwerten, die Regionalität zu fördern und dies für kommerzielle, kulturelle und für Bildungszwecke zu nutzen. Aus der Landwirtschaft kommen aber Befürchtungen, dass Einschränkungen drohen. Sutter bestreitet dies vehement: «Wer nicht mitmachen will, muss nicht und merkt auch nichts vom Park.»
Retourkutsche?
Es bestehen aber noch weitere mögliche Gründe, warum die Gegenwehr so stark ausfällt. Es war zwar ein kluger Zug von Präsidentin Florence Brenzikofer, auch SVP-Mitglieder in den Trägerverein zu holen.
Doch damals konnte sie noch nicht wissen, dass Johannes Sutter in einen wüsten Kampf ums SVP-Parteipräsidium steigen und schliesslich Peter Riebli unterliegen würde. Nun hat sich die SVP offiziell gegen den Naturpark ausgesprochen. Ein Nachtreten gegen Sutter? Dieser will das nicht kommentieren.
Kritik ist auch in Naturschützer-Kreisen zu vernehmen – sogar gewichtige. Urs Chrétien war bis Ende 2018 Geschäftsführer von Pro Natura Baselland. Statt der Natur profitierten vor allem der Tourismus und die Landwirtschaft vom Park, sagte Chrétien in der Volksstimme. Ausserdem sei die Infrastruktur im Oberbaselbiet «jetzt schon überlastet» und es brauche «nicht noch zusätzliche Tagesauflügler hier».
Chrétiens Nachfolger bei Pro Natura haben ebenfalls Vorbehalte. Co-Geschäftsführer Thomas Zumbrunn kritisierte etwa, dass die Geschäftsstelle durch die Wirtschaftskammer geführt werden solle. Aber offiziell unterstützt Pro Natura den Park – ebenso andere Naturschutz-Organisationen. Dennoch ist Skepsis zu spüren.
Lohnt sich die Investition?
Das Projekt hat es wohl auch schwer, weil die Bevölkerung in Zeiten von Sparpaketen und steigenden Lebenshaltungskosten ungern Geld spricht. Die Kantonsregierung steht hinter dem Naturpark und beantragt dem Landrat, in der dreijährigen Errichtungsphase des Projekts Naturpark Baselbiet jeweils 400'000 Franken zu bewilligen.
Sutter glaubt, dass es dem Trägerverein womöglich nicht gelungen sei, aufzuzeigen, dass sich die Investitionen lohnen. Ausserdem seien die Bundesgelder für die Parks ohnehin schon gesprochen und würden, sollte der Naturpark Baselbiet scheitern, einfach weiterhin auf die 17 bereits bestehenden verteilt.
Ursprünglich wollte der Trägerverein die nötigen Zusagen der Gemeinden bis Ende Jahr haben, um im ersten Quartal des neuen Jahres beim Bund das Gesuch einzureichen. Das wird nun kaum mehr möglich sein. Wie Sutter sagt, könne das Gesuch gemäss Rückmeldungen aus dem Bundesamt für Umwelt auch noch später im Jahr erfolgen.
Der definitive Entscheid steht noch aus. Doch aktuell sieht es schlecht aus für den Naturpark Baselbiet.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.