«Haus Harmonie»: Gründer in Langenbruck BL fristlos entlassen

Peter Knechtli
Peter Knechtli

Liestal 27.07.2024 - 03:12

An der Spitze des Langenbrucker Sucht-Wohnheims kommt es zu heftigen Dissonanzen. Der Streit dreht sich unter anderem um die Ablösung der Geschäftsleitung.

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Teilansicht des Langenbrucker «Haus Harmonie». - Haus Harmonie

Das Wichtigste in Kürze

  • In Langenbruck BL steht das «Haus Harmonie». Es hilft Suchtkranken.
  • Vor Kurzem wurde der Gründer Jürg Lützelschwab dort fristlos entlassen.
  • Dies, nachdem der 72-Jährige Vorwürfe gegenüber der Heimleitung geäussert hatte.

Jürg Lützelschwab (72) ist mit fast 50 Jahren Erfahrung eine der bekanntesten Persönlichkeiten im Bereich der regionalen Drogenarbeit. Kaum eine Funktion – ob Gassenarbeit, Gefängnisbetreuung oder staatliche Beratung –, in der er nicht tätig war.

Der gelernte Pöstler, der die Gasse kennt wie den Weg daraus heraus, hatte sich in der Arbeitserziehungsanstalt Arxhof zum Sozialpädagogen und Heimleiter ausbilden lassen und später selbst Verantwortung übernommen.

In der ehemaligen Liestaler Giesserei gründete er mit dem Selbsthilfeverein Abri das «Wohnheim Erzenberg» für Suchtkranke, das seit einiger Zeit im Gelterkinder «Ochsen» untergebracht ist. Daraus entstand 2006 in Langenbruck das therapeutisch orientierte «Haus Harmonie». Der Betrieb wird von öffentlichen Institutionen (IV, Ergänzungsleistungen) finanziert.

Speziell für ältere Suchtabhängige

Trägerschaft dieser Institution ist ein aus wenigen Mitgliedern bestehender privater Verein. Die Institution ist spezialisiert auf ein strukturiertes Angebot für Drogenkranke im fortgeschrittenen Alter.

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«Recht, in Würde zu altern»: Drogenarbeits-Pionier Jürg Lützelschwab. - OnlineReports.ch / Peter Knechtli

Diese Menschen hätten «ein Recht, in Würde zu altern, an einem Ort, der speziell für sie erschaffen wurde». Dafür setzte sich Lützelschwab leidenschaftlich ein. Als Gitarrist und früherer Band-Keyboarder («Ertlif») machte er in der «Harmonie» mit Suchtkranken Musik.

Vor dreieinhalb Jahren kam es dort zu einem Führungswechsel: Seine Vollzeitstelle als Geschäftsführer gab Lützelschwab auf, blieb aber mit einem 30-Prozent-Pensum als Gründervater, Mentor und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit auf Geschäftsleitungsebene in der Institution.

Kritik an fehlender Heimleiter-Ausbildung

Die Führungsfunktion wurde von Hassibulah Rasuli übernommen und vor einem Jahr mit Caroline Gerster in eine grosszügig honorierte Doppelbesetzung im Vollamt ausgebaut. Doch die Harmonie in der Zusammenarbeit mit Lützelschwab erlitt Brüche.

Die eingeführten Konzeptänderungen und persönliche Reibereien führten dazu, dass sich Lützelschwab in der zweiten Juliwoche gedrängt fühlte, in einem Schreiben (wovon «OnlineReports» Kenntnis hat) an den Baselbieter Suchtbeauftragten Joos Tarnutzer von «schweren Missständen» im «Haus Harmonie» zu berichten.

In diesem Brief, der in Kopie auch an Kantonsarzt Aref Al-Deb'i ging, moniert der «Harmonie»-Gründer, dass weder Arbeitsagoge Rasuli noch Sozialarbeiterin Gerster über eine Heimleiter-Ausbildung verfügen. Eine versprochene Ausbildung habe Rasuli bisher nicht absolviert.

Investition in gescheitertes Ladenprojekt

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Anmietung des kleinen Laden- und Bistrolokals in Oberdorf, das für externe «Harmonie»-Aktivitäten geplant war. Doch die Pläne, die der Institution während rund zwei Jahren Mietzinse von gegen 30'000 Franken bescherten, wurden nie umgesetzt.

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Gemietete Ladenlokalität in Oberdorf. - OnlineReports.ch / Peter Knechtli

Lützelschwab kritisierte diese «Geldverschwendung», was zu einem Eklat und im Mai zur Kündigung durch den Arbeitgeber führte. Vermietungsplakate an der Oberdörfer Ladenlokalität lassen aber den Schluss zu, dass die «Harmonie»-Leitung ihre Pläne anschliessend fallen liess.

Ein dritter Kritikpunkt betrifft die behauptete Abkehr von der bisherigen Betreuungskultur: Das Prinzip der offenen Kommunikation und der offenen Türen sei «weitgehend verschwunden».

«Sämtliche Vorwürfe bestritten»

So weit der Standpunkt von Jürg Lützelschwab. «OnlineReports» hatte auf Anfrage Einblick in Belege und wollte die Vorwürfe bei der Institution gegenchecken. Die Co-Geschäftsführung geht auf die sieben Fragen nicht ein, sondern antwortet pauschal:

«Sämtliche Vorwürfe werden bestritten und aufgrund laufender Verhandlungen und einer ferienbedingten Abwesenheit des Gegenanwalts können keine weiteren Angaben gemacht werden. Unabhängig davon ist die Co-Leitung der Ansicht, dass von allen Seiten dafür zu sorgen ist, dass der Schutz von physisch und psychisch instabilen Personen, wie unsere Bewohner*innen, unantastbar bleibt.»

Christian Burkhardt, Präsident des «Harmonie»-Vereinsvorstands, glaubt nicht, «dass ein Arbeitskonflikt mit einem Mitarbeiter einer therapeutischen Institution in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden sollte».

Gute Referenzen für geschassten Heimleiter

In Gesprächen mit Personen aus seinem Umfeld erfuhr «OnlineReports» gute Referenzen über Lützelschwab. Udo Kienzel, der als Beauftragter für Gesundheitsförderung Baselland über zehn Jahre mit Lützelschwab zusammengearbeitet hat, bezeichnet diesen als «Profi» mit «wertschätzender Ausstrahlung». Er habe «Feingefühl im Umgang mit Behörden» gezeigt.

Der Psychiater Urs Hafner, ehemaliger Leiter der Drogenberatungsstelle Baselland, spricht von einem «unglaublich kreativen, initiativen Menschen».

Findest du, es sollte mehr gemacht werden, um Suchtkranken zu helfen?

Eine frühere «Harmonie»-Mitarbeiterin bezeichnet Lützelschwab als eine «Koryphäe auf dem Gebiet der Suchterkrankung» in beiden Basel. Er habe seine Tätigkeit «nicht nur als Arbeit verstanden, sondern als Lebenseinstellung». So habe er eine Bewohnerin bis zu ihrem letzten Atemzug im Spital begleitet.

Ein ehemaliger «Harmonie»-Bewohner lobt gegenüber «OnlineReports»: «Er hat etwas auf die Beine gestellt, das vielen Leuten geholfen hat.»

Für die neue Wohnheim-Leitung ist das nicht erheblich: Nachdem «OnlineReports» bei ihr die Recherche aufnahm, sprach sie die fristlose Entlassung Lützelschwabs aus.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

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