Christoph Böbner: Erster auswärtiger Ebenrain-Chef seit über 60 Jahren
Sissach 03.08.2024 - 03:10
Dem Entlebucher fehlen nur noch wenige Jahre bis zur Pension. Dennoch sieht er sich nicht als Übergangslösung.
Das Wichtigste in Kürze
- Christoph Böbner ist seit Mai Chef des Sissacher Ebenrain-Zentrums.
- Er ist der erste nicht Nordwestschweizer in diesem Amt seit über 60 Jahren.
- «Mir gefällt die Baselbieter Landschaft», sagt der Entlebucher.
Mit einer Ausnahme stammten alle Chefs des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung bisher aus der Nordwestschweiz. Und üblicherweise blieben sie lange.
Gründungsdirektor Mathias Hofer aus Eptingen besetzte den Posten von 1919 bis 1930. Der legendäre Wenslinger Otto Buess war von 1960 bis 1984 im Amt.
«Otti», so nannte man ihn, gehörte zu den Pionieren des biologischen Landbaus in der Schweiz. Buess' Vorgänger ist der einzige Auswärtige in der Ebenrain-Geschichte: Walter Späti aus Heriswil im Nachbarkanton Solothurn. Er leitete die landwirtschaftliche Schule über drei Jahrzehnte.
Böbner sieht sich nicht als Übergangslösung
Bei der Wahl des neuen Leiters gehörte die Herkunft offensichtlich nicht zu den zwingenden Voraussetzungen. Wohl auch, weil sich die Neubesetzung des Amtes einmal mehr als schwierig erwies. Jedenfalls steht mit Christoph Böbner seit dem 1. Mai dieses Jahres erstmals ein Entlebucher dem Ebenrain vor.
Auch wird Böbner kaum so lange wie seine Vorgänger das Zentrum leiten. Er ist bald 61 Jahre alt und damit gleich alt wie Lukas Kilcher, der den Posten Ende 2023 nach zehn Jahren abgab und eine neue Stelle antrat.
Die beiden haben zusammen studiert. Trotz seines Alters sieht sich Böbner aber nicht als Übergangslösung. Seine neue Tätigkeit im Ebenrain erachtet er vielmehr als «umspannenden Bogen über all dem, was ich bisher gemacht habe». Und das ist nicht wenig.
Von der Viehzucht geprägt
Böbner kommt aus einer Entlebucher Grossfamilie. Er hat zwölf Geschwister. Geprägt vom heimischen Viehzuchtbetrieb und einer typischen Viehzuchtregion studiert Böbner nicht nur Agronomie an der ETH Zürich.
Er wählt dort auch den Fachbereich Nutztierwissenschaften und promoviert am gleichnamigen Institut.
Erste Berufs- und Führungserfahrung sammelt Böbner als Vizedirektor des Schweizerischen Braunviehzuchtverbandes, bevor er 1998 in einer Konzentrations- und Umbruchphase die Leitung des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Schüpfheim übernimmt.
Von 2004 bis 2009 ist er Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft und leitet dort die Hauptabteilung Direktzahlungen und Ländliche Entwicklung.
Im August 2009 kehrt Böbner als Leiter der Dienststelle Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern in die Zentralschweiz zurück. Bevor er die Leitung des Ebenrainzentrums übernimmt, ist er Direktor von Swissgenetics, dem grössten Schweizer Produzenten und Vermarkter von Rindersperma für die künstliche Besamung.
Er bezeichnet diese Tätigkeit als Rückkehr zu seiner «ursprünglichen Kernkompetenz». Im Ebenrain mutiert er schliesslich zum «Agrargeneralisten».
Vom Baselbiet angetan
Was aber hat den Zentralschweizer schliesslich ins Baselbiet geführt? Und dann noch in ein landwirtschaftliches Zentrum nahe einer Stadt – quasi an der «Front» zur Konsumentenschaft. Offenbar all das: «Ich wollte eine neue Region und eine neue Tätigkeit in einem neuen Umfeld kennenlernen», sagt Böbner.
Er habe das Baselbiet vor allem vom Militär und vom Schwingen, aber auch von seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten her schon einigermassen gekannt, erklärt Böbner.
Dabei gerät der Entlebucher fast schon ins Schwärmen: «Mir gefällt die Baselbieter Landschaft, und die Vielfalt der hiesigen Landwirtschaft vom Obst- und Weinbau bis hin zum Ackerbau und der Nutztierhaltung ist schlicht grossartig.»
Die ersten Feuerproben
Da erübrigt sich die Frage fast schon, ob er denn bereits in der Nordwestschweiz «angekommen» sei. Ja, das sei er total, antwortet er; und «eingetaucht». Er sei auch gut aufgenommen worden.
Die eine oder andere Feuertaufe hat er mittlerweile auch schon erfolgreich überstanden, etwa die Kürung der Staatsweine von Baselland und Basel-Stadt oder das Nordwestschweizer Schwingfest.
Auch hat Böbner die Öffentlichkeit bereits über eine Bedrohung grossen Ausmasses informieren müssen: Der invasive Japankäfer hat sich im Gebiet der Sportplätze St. Jakob in Münchenstein vermehrt und von dort aus weiterverbreitet. Der Eindringling droht Schäden in Millionenhöhe anzurichten. Die beiden Basel haben Allgemeinverfügungen erlassen.
Freudvoll darf Böbner hingegen auf den 1. September blicken. Der Ebenraintag ist einer der höheren Feiertage im regionalen Jahreskalender.
Ein Abstecher nach Paris
Böbner weiss, dass der Ebenrain für die Region mehr ist als eine «gewöhnliche» Landwirtschaftsschule. Auch ist ihm bekannt, dass die Institution so etwas wie eine schweizerische Wiegestätte des biologischen Landbaus ist.
Die einstigen fast schon ideologischen Auseinandersetzungen zwischen «Bio» und «konventionell» beziehungsweise «integriert» gehören mittlerweile jedoch der Vergangenheit an. Die Brisanz ist weg.
«Es braucht beides», sagt der neue Ebenrain-Chef denn auch. Für ihn sei ohnehin die Regionalität und die Saisonalität der Produkte heute fast wichtiger als der Unterschied zwischen «Bio» und «integriert». «Denn vor allem das trägt zur Nachhaltigkeit bei.»
Neben seinen vielen beruflichen Zielen in seinem ersten Ebenrain-Jahr hat Christoph Böbner aber auch noch ein privates. Er möchte die Olympischen Spiele in Paris besuchen: Eine seiner drei Töchter ist als Beachvolleyball-Spielerin für die Schweiz am Start. Und da kann er bei aller Bescheidenheit einen gewissen Anflug von Stolz nicht verhehlen.
***
Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.