FCB – Marwin Hitz: «Zerfleischten uns nie – ein Grund für den Lauf»
Basel 22.11.2024 - 10:00
Marwin Hitz verrät im Interview, dass er beim FCB den schwierigsten Teil seiner Karriere durchmachte. Genau das könnte der Grund für den aktuellen Lauf sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Marwin Hitz sagt, dass man sich beim FCB auch in schweren Zeiten nie zerfleischte.
- Das könnte ein Grund für den aktuellen Lauf sein.
- Der Goalie möchte seinen Vertrag gerne verlängern.
Marwin Hitz, dem FC Basel läuft es sehr gut. Ihr habt fünf der letzten sechs Spiele gewonnen und liegt einen Punkt hinter Zürich auf dem 2. Tabellenplatz. Warum läuft es aktuell so gut?
Marwin Hitz: «Wir arbeiteten sehr gut in der Vorbereitung, setzten uns als Ziel, uns in allen Bereichen zu verbessern. Zwar holten wir in der vergangenen Saison in den wichtigen Phasen auch Punkte, aber nicht mit demjenigen Stil, mit dem wir Fussball spielen wollen. Dann stiessen viele gute Jungs dazu, auch was den Charakter betrifft. Wir verfügen qualitativ über das beste Team, seit ich hier bin. Das führt zu einem guten Trainingsniveau. Alle pushen sich gegenseitig, alle wollen erfolgreich sein, ohne ein zu grosses Ego zu haben. Es ist ein sehr positives Miteinander.»
Der FCB hat in der laufenden Meisterschaft am meisten Treffer erzielt und zusammen mit Zürich und Lugano am wenigsten Gegentore erhalten. Das spricht für eine gute Balance im Team.
Hitz: «Das ist zwar nicht aussergewöhnlich, aber natürlich ein sehr gutes Zeichen für die Mannschaft. Dennoch lassen wir meiner Meinung nach immer noch zu viele Torschüsse und Grosschancen zu. In der einen oder anderen Situation hatten wir auch etwas Glück. Der Weg stimmt aber sicherlich.»
Darum ist Shaqiri für den FCB so wichtig
Wie stark hängt der Aufschwung des FCB mit der Verpflichtung von Xherdan Shaqiri zusammen?
Hitz: «Er bringt eine enorme Qualität mit und spielt sehr uneigennützig. Da aber natürlich auch er von seinen Mitspielern abhängig ist, hat es am Anfang noch nicht so gut funktioniert. Es war zunächst ein 'Sich-Finden'. Dass er wohl der erfolgreichste Schweizer Fussballer ist, löst bei vielen einen Wow-Effekt aus. Wenn ein solcher Spieler etwas sagt, wird genau hingehört.»
Vor etwas mehr als einem Jahr war die Gefühlslage diametral anders. Der FCB lag mit fünf Punkten aus den ersten elf Spielen auf dem letzten Tabellenplatz. Für eine reflektierte Person wie Sie dürfte diese Situation besonders schwierig gewesen sein.
Hitz: «Es war sicherlich die schwierigste Zeit in meiner Fussballkarriere, obwohl ich schon viel Hochs und Tiefs erlebt hatte. Ich fühlte mich hilflos – auf dem Platz, was etwas vom Schlimmsten ist, aber auch daneben. Es lief einiges schief, vieles kam zusammen. Was mich allerdings auch in dieser Phase sehr stolz gemacht hat, ist, dass wir nie auseinanderfielen. Wir zerfleischten uns nie oder schoben die Schuld hin und her. Das ist sicherlich mit ein Grund für den aktuell guten Lauf. Viele blieben ja hier, und eine solche Situation schweisst natürlich zusammen.»
«Man schämt sich, wenn man so dasteht»
Kann man in einer solchen Situation als Kopfmensch überhaupt abschalten?
Hitz: «Es drehte schon oft in meinem Kopf, manchmal auch in der Nacht. Man schämt sich, wenn man so schlecht dasteht und zudem noch so schlecht spielt. Der Weg ins Training ist relativ weit. Dann macht es keinen Spass, an allen Leuten vorbeizufahren, da man sich verantwortlich fühlt für das Ganze. Dies umso mehr in einer Stadt, in der der Fussball gelebt wird.»
Mit 37 Jahren sind Sie im fortgeschritteneren Fussballer-Alter. Fällt es dann einfacher, mit einer solch schwierigen Situation umzugehen?
Hitz: «Als junger Spieler dachte ich immer, es wird stets einfacher mit einem gewissen Standing. Aber, ehrlich gesagt, ist es nicht so herausgekommen. Ich machte mir immer mehr Gedanken, fühlte mich mehr dafür verantwortlich, wenn es nicht lief. Ich glaube aber, dass das eine Voraussetzung ist, um so lange dabei sein zu können. Wenn man aufhört, sich verantwortlich zu fühlen, kann das Niveau nicht gehalten werden.»
Marwin Hitz möchte gerne beim FCB verlängern
Apropos Niveau halten: Wie viel mehr Aufwand müssen Sie heute betreiben?
Hitz: «Ich fing zum Glück früh an, auf mich zu achten. Ich nahm immer wieder Sachen von Mitspielern auf, informierte mich. Ich mache schon immer Yoga, konsumierte nicht nur auf der Massagebank, sondern absolvierte selber meine Übungen. Ich schaute früh auf die Ernährung. Dazu kommt genetisches Glück. Aber es steckt definitiv viel Fleiss und Disziplin dahinter, dass ich immer noch auf diesem Niveau spielen kann.»
Im nächsten Jahr läuft der Vertrag mit dem FCB aus. Gibt es schon eine Tendenz, wie es weitergeht?
Hitz: «Ich sprach gerade erst am vergangenen Wochenende mit meiner Familie sehr lang und intensiv darüber, da der ursprüngliche Plan gewesen war, dass 2025 Schluss ist. Ich bin ein Mensch, der immer ein Ziel braucht, der auf etwas hinarbeiten möchte. Wir entschieden uns nun dazu, dass ich, wenn es möglich ist, nochmals ein Jahr weiterspiele. Weiter vorauszuschauen macht in meinem Alter keinen Sinn. Basel als aktueller Klub, bei dem ich mich sehr wohl fühle, ist sicherlich mein erster Ansprechpartner, das war bei mir immer so. Sonst hätte ich bei mehr Vereinen gespielt.»
Das macht Marwin Hitz nach der Karriere
So oder so besitzen Sie mit einer Immobilienfirma schon ein Standbein für die Zeit nach der Karriere.
Hitz: «Es war mir immer wichtig, etwas nebenbei zu haben, mich mit Menschen ausserhalb des Fussballs auszutauschen, etwas Neues zu lernen, das man nicht schon 100'000 Mal gemacht hat. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit, ermöglicht mir, Entscheide ohne Druck zu fällen. Aber es ist natürlich nicht einfach aufzuhören.»
Zurück zum FCB. Der letzte Meistertitel liegt sieben Jahre zurück. Spüren Sie eine Sehnsucht nach dem Meisterpokal?
Hitz: «Wir haben in dieser Saison sicherlich einen sehr tollen Zuschauerschnitt. Eine Sehnsucht nach einem Titel spüre ich allerdings nicht, da wir, glaube ich, in den vergangenen Jahren auf den Boden der Tatsachen gekommen sind. Wir spüren jedoch die Freude der Fans darüber, dass wir mehrheitlich wieder guten Fussball spielen. Über den Meistertitel hat mit mir aber noch niemand gesprochen, auch wenn es sicher Fans gibt, die davon träumen. Es sind einfach alle dankbar für das Gefühl, dass der Verein wieder auf dem richtigen Weg ist und alle in die gleiche Richtung arbeiten. Zuschauer, die in letzter Zeit nicht mehr im Stadion waren, kommen wieder öfters. Das ist das momentan das Schönste an der Situation.»