Ex-Miss getötet: Grausige Details sorgen für «Sensations»-Kritik
Leimental 04.10.2024 - 06:55
Ex-Miss-Schweiz-Finalistin K.J.* ist mutmasslich von ihrem Ehemann getötet worden. Frauenrechtlerinnen üben Kritik an der Veröffentlichung grausiger Details.
Das Wichtigste in Kürze
- Ex-Miss-Finalistin K.J. wurde mutmasslich von ihrem Mann auf grausame Weise getötet.
- Der Fall sorgt international für Schlagzeilen, auch True-Crime-Influencer berichten.
- Frauenrechtlerinnen üben Kritik, teils aus gegensätzlichen Gründen.
Im Februar tötet M.R.* mutmasslich seine Ehefrau.
Opfer ist die zweifache Mama K.J.* (38), in der Schweiz keine Unbekannte. Sie gewann 2003 den Titel «Miss Nordwestschweiz» und schaffte es 2007 ins Miss-Schweiz-Finale.
Danach machte sie als Laufsteg-Coach Karriere und arbeitete eng mit den Missen zusammen.
Viele Schweizer Promi-Frauen kannten sie persönlich, darunter Ex-Miss-Schweiz Dominique Rinderknecht und Kollegin Nadine Vinzens (41). Deshalb – und weil der Täter besonders grausam vorging – sorgt der Fall über die Grenzen hinaus für Schlagzeilen.
True-Crime-Influencer machen Videos über getötete Miss-Finalistin
Gerade die britischen Medien haben in den vergangenen Wochen ausführlich über die Horror-Informationen berichtet, die zunehmend ans Licht kommen.
Darunter: Was M.R. mit ihrer Leiche angestellt haben soll und wie sie gefunden wurde. In allen grausamen Details.
Nau.ch veröffentlicht bewusst nicht alle Einzelheiten. Aus Persönlichkeitsschutzgründen zensieren wir auch Namen und Bilder der Getöteten und des mutmasslichen Täters.
Anders im Ausland oder auf Social Media: Dort werden oft sowohl Opfer als auch Täter mit Gesicht und Namen gezeigt, jede Einzelheit ausbuchstabiert. Zudem haben schon erste True-Crime-Influencer den Fall in Doku-Videos aufgerollt.
Das sorgt nun für Kritik.
«Auf brutalste Weise getötet»
Die britische Frauenrechtsorganisation Women's Aid schreibt, dass solche Fälle gerne als «True Crime»-Geschichte zu Unterhaltungszwecken erzählt werden. «Wir sind zutiefst besorgt über die Berichterstattung über diesen sehr realen und beunruhigenden Fall.»
Es sei zu «schockierenden» Schlagzeilen und Artikeln «mit unnötigen und sensationsheischenden» Details gekommen. «Entmenschlichend», «dreist» und «unsensibel», lautet die Kritik.
Teilweise sperren die britischen Medien ihre Artikel für die Schweiz, sodass sie nur im Inland gelesen werden können. Wohl aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen oder Beschwerden durch die Schweizer Angehörigen.
Die Frauenrechtsorganisation betont: «Es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass eine Frau auf brutalste Weise getötet wurde.» Denn zwei Kinder haben durch die Tat ihre Mutter verloren.
Zu wenige Details sorgen auch für Kritik
Nicht alle Frauenrechtlerinnen sehen das gleich. Denn auch das Gegenteil sorgt für Kritik: Einige finden nämlich, es werden zu wenige Details genannt.
In einem Instagram-Post zu Tötungsdelikten an Frauen fragte «10 vor 10»-Moderator Arthur Honegger kürzlich: «Sollte man mehr hinschauen? Sollte man von Femiziden statt von Beziehungsdelikten sprechen?»
Darunter finden sich zahlreiche Kommentare von Frauen, die fordern, dass die getötete Miss-Finalistin beim Namen genannt wird.
«Sie heisst K. J.», steht da etwa, den Namen ausgeschrieben. Und dazu: «Die Schweiz soll bessere Massnahmen zum Schutz von Frauen vornehmen!»
Eine andere Frau findet, in der Schweiz werde «immer alles totgeschwiegen». Sie fragt: «Warum berichtet keiner vom Mord an der Miss-Schweiz-Finalistin (...)?» Sie habe erst in der amerikanischen Presse ausführliche Berichte darüber gelesen.
«Darf nicht skandalisiert werden»
Namen und grausige Details nennen? Die Meinungen sind also geteilt. Und was sagt die Expertin für Gewalt gegen Frauen dazu?
Für Anna-Béatrice Schmaltz, Leiterin der Präventionskampagne «16 Tage Gewalt an Frauen», steht fest: «Es ist wichtig, dass nicht verharmlosend über geschlechtsspezifische Gewalt berichtet wird.»
Beispiele für verharmlosende Begriffe seien etwa «Familiendrama» oder «Liebestragödie». «Gleichzeitig darf nicht skandalisiert werden», sagt sie. «Es ist nicht nötig, im Detail zu beschreiben, wie der Mord verübt wurde.»
Empathie werde bereits dadurch geweckt, dass das Delikt nicht verharmlost und dem Opfer keine Schuld zugewiesen wird. Wichtig findet sie auch, dass der Täter erwähnt wird. Also «Ehemann hat Ex-Miss-Schweiz-Kandidatin getötet» statt «Ex-Miss-Schweiz-Kandidatin wurde getötet».
«Gewalt hört nicht einfach auf, sie eskaliert»
Sie fordert zudem, dass Hintergrundinformationen und Zahlen zur Häufigkeit solcher Fälle genannt werden: «In der Schweiz durchschnittlich jede zweite Woche.»
Pro Jahr gibt es hierzulande durchschnittlich 20 Femizide, also Tötungsdelikte an Frauen, die mit ihrem Geschlecht zu tun haben. Häufig geht Femiziden bereits häusliche Gewalt voraus, sagt die Frauenrechtlerin.
Das war Berichten zufolge offenbar auch im Fall von K.J. so.
Ex-Bachelorette Frieda Hodel (41) kannte die Ex-Miss-Finalistin gut. Auf Instagram appellierte sie nach der Tat an ihre Followerinnen und Follower: «Gewalt hört nicht einfach auf, sie eskaliert. Wenn du denkst, es war ein Ausrutscher, dass es beim nächsten Mal anders sein wird. Bitte, spricht mit jemandem, suche Hilfe.»
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Brauchst du Hilfe?
Bist du Opfer von Gewalt geworden? Die Opferhilfe hilft dir dabei, die Erfahrung zu bewältigen und informiert dich über deine Rechte und weitere Schritte: www.opferhilfe-schweiz.ch.
* Name der Redaktion bekannt